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RE: Frage an die Reflux Spezies
Von: Hydroxyethan am 31.10.2013 12:52:20 | Region: Europa
Lieber Franky!
Vielen Dank für die Blumen, freut mich, dass einiges auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Zu Deinen Fragen:
1. Frage: Ja, Durchmesser im Kolonnenstück aufweiten ist möglich, wenn das Zwischenstück zwischen Brennblase und Kolonne nicht zu lang ist. Bei Durchmesserverringerung steigt (Dampf-)Fließgeschwindigkeit, Widerstand und Druck. Dies hat Einfluss auf u.a. das Siedediagramm. Bei geringen Längen (Adapter) vernachlässigbar, da sich der Dampf danach sofort wieder entspannt und die Dampfgeschwindigkeit wieder reduziert. Von Düseneffekten und Turbulenzen (keine laminare Strömung mehr) mal abgesehen, dennoch: je größer, desto besser.
Bei einer Heizleistung von 10 kW und 60L Brennblase empfehle ich einen Kolonnendurchmesser von mind. 7, besser 10 cm. (Regenfallrohre?) Dann pisst sie wie ein arabisches Rennpferd! Keine Tropfenzählerei! Die Länge ist abhängig von Deinen HETP, also Deinem benutzten Packungsmaterial. Bei Edelstahltopfschrubbern als ubiquitär verfügbarer Variante sollte die Kolonne (eff. Packungsbereich) für Azeotrop schon so um die 80cm (ca 11-12 HETP) Minimum haben, eher etwas mehr.
2. Frage: Gut aufgepasst, das ist auf den ersten Blick irritierend, nicht wahr? Nun, Rektifikation ist "selbsttreibend", soll heißen, Kondensationswärme und Verdampfungskälte der beteiligten Stoffe (Wasser und Alk) liefern die Energie. Deshalb ist Rektifikation so viel energiesparender (Energierecycling) als mehrmaliges hintereinanderdestillieren. Das ist der Knackpunkt! Die Temperaturen fallen nach oben aufgrund der Aufkonzentration, nicht durch Wärmeabgabe nach aussen durch Konvektion und Strahlung! Verständlich? Die Energie "versackt" also in der Trennung! (Versuch: Mische 95,6% Alkohol mit Wasser, die Mischung erhitzt sich massiv, hier wird die "gespeicherte" Energie wieder freigesetzt...)
Dies gilt für eine Kolonne, die im Equilibrium, also im Gleichgewicht ist. wenn Du Produkt abziehst, bricht dieses wieder zusammen. Daher setzt Du oben eine Refluxspule ein, die nur schon aufkonzentriertes Produkt zurückschickt und erhöhst somit die Dampfzyklenhäufigkeit und mithin die Effizienz Deines Maschinchens. Das kostet natürlich Energie, das Kühlwasser Deines Refluxkühlkreislaufs erhitzt sich, das kostet Gas/Kühlwasser. Allerdings längst nicht so viel wie man gemeinhin denkt, da konz. Ethanol nur ein Drittel der Kondensationswärme freisetzt als Wasser. (Keine Wasserstoffbrückenbindungen, die erst "geknackt/überwunden" werden müssen!) Diese Regel gilt übrigens auch im nächsten Schritt in Deinem Produktkondensor, dort kondensierst Du ja nach Rektifikation viel konzentrierteren/reineren Alkohol. Der Kühler braucht also nur noch ca. ein Drittel der Kapazität, die Du bei Wasserdampf benötigen würdest, wenn Du dest. Wasser herstellst. Oder einen Brand von 40-70%, da liegt´s irgendwo dazwischen.
Wenn Du die Kolonne nicht isolierst, kondensiert VIEL an der Innenwand und fließt zurück in die Brennblase, wo Du wieder Energie reinstecken musst, ein Kreis-Durchlauferhitzer sozusagen. Sicher hast Du in einem engen Band (T zwischen Sdp. H2O/C2H5OH) der Kolonne dann auch etwas Rektifikation (Siehe Zwiebelhelme der Whiskydestillerien), aber wir wollen´s ja hocheffektiv und hochkonzentriert, oder? Bei meinen Glasröhren ist der Effekt, da ich mit viel Power arbeite, vernachlässigbar (schlechter Wärmeleitwert, sehr dicke Wandstärke), bei dünnen Regenfallrohren (0,6er Kupfer(!)blech) sieht´s schon anders aus. Und da man im Gegensatz zu mir eh´ nichts beobachten kann, isolieren! Hast Du dünne Durchmesser in Deiner Kolonne, ist´s noch viel schlimmer, da ungünstigeres Oberfläche/Volumenverhältnis. Außerdem verzerren sich die HETP innerhalb der Kolonne im Packungsmaterial dann umgekehrt parabolisch, das stört die Schichtung. Nachvollziehbar?
Jetzt ist vielleicht auch klar, warum ein Dephlegmator zwar funktioniert, aber ein Energiegrab ist?
Wenn Du eine Kolonne baust, bau´ bitte eine Refluxeinheit ein, erhöht die Performance dramatisch. Ohne bringt´s auch was, aber sicher kein Azeotrop, zumindest nicht in realistischer Zeit. Dein modularer Grundgedanke geht dann ja durchaus auch.
Ich persönlich drehe bei Aromabränden einfach meinen Refluxkreislauf ab, das reicht. Die etwas erhöhten Prozente finde ich sogar ganz gut, außerdem erlaubt die dann ja immer noch leicht aktive Packung eine sehr viel schärfere Abtrennung von Vor- und Nachlauf. (Zur extrem scharfen Vorlaufabtrennung z. B. am Anfang refluxen, danach schließen!). Es ist allerdings wichtig, die Nachlaufabtrennung sehr exakt zu machen, wenn man keinen Aromaverlust haben möchte, da sich diese ein wenig nach hinten verschieben. Verloren gehen sie nur, wenn Du sie zu großzügig abschneidest! Daher baue ich meine Destille nicht mehr auf eine einfache Pot-Still um. Selbst hochkonzentrierte Aromabrände sind möglich, wenn Du die Aromen, die am Ende kommen wieder untermischt. (bei steigender Temperatur) Dabei muss nur exakt und kleinvolumig(!) am Ende gearbeitet werden! Käufliche natürliche Aromen werden übrigens so hergestellt, wobei dort meist Vakuumdestillation verwandt wird.
Liebe Grüße und in der Hoffnung, mich verständlich ausgedrückt zu haben,
Hydroxyethan