Amygdalin, Benzaldehyd, Ethylcarbamat usw.
Immer wieder kommt die Frage nach den Kernen auf und ob sie in der Maische verbleiben sollten oder nicht. Die Antworten reichen von "Auf jeden Fall raus" bis "Kein Problem, solange sie heil bleiben". Dabei gibt es dazu sehr zuverlässige Daten. Vor einigen Jahren kam der Zwetschgenbrand in Verruf wegen Ethylcarbamat. Die Industrie hat sich deshalb die Sache genauer angesehen. Ich habe mal ein paar Infos zusammengestellt. Wäre aber schön, wenn sich noch andere beteiligen könnten, weil es ein paar Lücken gibt.
Der Ausgangstoff ist Amygdalin. Das ist ein Glycosid, das unter Anwesenheit von Emulsin Glucose, Blausäure und Benzaldehyd abspaltet. Gegen Glucose haben wir nichts, Blausäure ist in diesen Mengen toxisch unproblematisch, und Benzaldehyd sorgt für das typische Bittermandelaroma. Das karzinogene Ethycarbamat entsteht erst durch Lichteinfluss. Ist die Reaktion einmal in Gang, läuft sie auch ohne Licht weiter, bis keine freie Blausäure mehr vorhanden ist.
Emulsin ist in vielen Früchten enthalten. Deshalb wird Amygdalin während der Gärung (!) gespalten. Kerne in der Maische sind somit problematischer als beim Brennen. Aber warum sollte man Kerne beim Brennen haben, wenn keine in der Maische waren? Um z.B. dem Destillat Aroma zu geben. Klappt das?
Ich habe einen Versuch mit Türkenkirschen gemacht, die ich ohne Kerne eingemaischt hatte. Bei einem Durchgang habe ich dann 30 geknackte (!) Kerne beim Brennen von 8 Litern dazu geben. Im Destillat war kein Aroma, obwohl die Kerne stark nach Bittermandel schmecken! Eine nennenswerte Spaltung des Amygdalins dürfte also nicht erfolgt sein. Über Emulsin habe ich nicht so viel auf die Schnelle gefunden. Es dürfte aber wie die meisten Enzyme wenig hitzetolerant sein und beim Erhitzen schnell denaturieren.
Muss ich mir Sorgen machen bei einem Gelee aus Traubenkirschenblüten, das sehr stark nach Bittermandel schmeckt? Nein, denn das Benzaldehyd wird auch unter Einfluss leichter Säure abgespalten. Hier wird also das Aroma frei, nicht aber die Blausäure, weil beim Erhitzen das Emulsin zerstört wird. Nach meinen Quellen wird Ethylcarbamat ausdrücklich mit fermentierten Lebensmitteln in Verbindung gebracht.
Wenn man also ein schönes Aroma, aber keinen Krebs haben möchte, ist es nicht der richtige Weg, die Kerne in der Maische zu lassen. Vielmehr könnte man die Kerne gezielt mit schwacher Säure behandeln und das Aroma direkt vor dem Brennen dazu geben. Wie gut das klappt, konnte ich noch nicht testen. Die Aussage, dass Kerne in der Maische kein Problem seien, solange sie nicht zerstört werden, ist definitv so allgemein nicht haltbar.
Eine offene Frage bleiben Ansatzschnäpse. Es wird auf jeden Fall ein relevanter Anteil Benzaldehyd herausgelöst. Das schmeckt man. Aber entsteht auch Ethycarbamat? Dazu habe ich bisher nur ziemlich wirres Forumgeschnattere gefunden, aber keine belastbaren Daten. Weiß jemand mehr?