Kartoffelschnaps (Wikipedia)
Kartoffelschnaps
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Als Kartoffelschnaps wird eine durch Brennen hergestellte alkoholhaltige Flüssigkeit (Branntwein) bezeichnet, bei der als Ausgangsmaterial die Kartoffel verwendet wird. Da die Kartoffelstärke nicht direkt zu Alkohol vergoren werden kann, wird zunächst über das Maischen eine zuckerhaltige (Maltose) Flüssigkeit hergestellt.
Der Kartoffelschnaps wurde, weil preiswert von der Herstellung und vom Ausgangsmaterial her, lange als Arme-Leute-Schnaps angesehen, wird aber heute mehr und mehr als eine Art exklusives alkoholisches Getränk auf den Getränkekarten anspruchsvollerer Restaurants angeboten.
Die polnische und ukrainische Version des Kartoffelschnapses nennt man Wodka. In Russland, Skandinavien und in anderen Ländern werden, je nach Land und Brennerei unterschiedlich, Wodka und Aquavit aus Kartoffeln oder Getreide hergestellt.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Geschichte
2 Kartoffelschnaps heute
3 Quellen
4 Einzelnachweise
Geschichte [Bearbeiten]Die erste Kartoffelbrennerei in Deutschland wurde wohl um 1750 in Monsheim in der Pfalz in Betrieb genommen.[1] Nachdem ca. 100 Jahre zuvor, um 1647 herum die Kartoffel erstmals in Pilgramsreuth in Franken im Feldanbau zur Nahrungserzeugung angebaut wurde[2], entwickelte sich die Nutzung der Knollenpflanze als Nahrungsmittel und als Ausgangsstoff für industrielle Anwendungen recht schnell. 1716 wurde die Kartoffel in Sachsen in großem Stile angebaut und 1745 erließ der Preußenkönig Friedrich II (Friedrich der Große) das Gesetz zum Anbau der Kartoffel, dem entsprechend die Bauern zehn Prozent ihrer Ackerfläche mit Kartoffeln bepflanzen mussten.[3]
Branntwein wurde ursprünglich nur als Heilmittel in kleinen Mengen aus Wein hergestellt. Die Herstellung von Branntwein aus Kartoffeln wurde 1682 erstmals erwähnt.[4] Die Herstellung war aber wohl recht schwierig und vergleichsweise teuer. Den Durchbruch bekam die Kartoffelschnapsbrennerei erst mit der Erfindung eines speziellen Destillationsgerätes durch Johann Heinrich Leberecht Pistorius (1777–1858), mit dem Pistoriusschen Brennapparat, den Pistorius am 21. März 1817 zum Patent anmeldete. Mit dem Gerät konnte 60 – 80-prozentiger Alkohol aus Kartoffelmaische hergestellt werden. Der wachsende Kartoffelanbau und die nun preiswertere Herstellungsmethode, führte zu einem regelrechten Schnapsboom. Dazu kam, dass Gutsherren das Kartoffelschnapsbrennen als eine gute zusätzliche Einnahmequelle ansahen und die Schlempe (Rückstände der Destillation) sich als erstklassiger Dünger und als Viehfuttermittel verwenden ließ.[5]
1831 gab es in der Provinz Brandenburg mehr als 1400 Kartoffelbrennereien.[6] Um 1887/88 waren in Deutschland bereits 6.268 Kartoffelbrennereien im Betrieb, die zusammen knapp über 2 Millionen Tonnen Kartoffeln verarbeiteten.[7] Der Boom, der über die Jahre anhielt, führt um 1912/13 in Deutschland bei einer Jahresproduktion von drei Millionen Hektoliter Kartoffelschnaps zu einer Überproduktion.[8]
Ab den 1830er Jahren entstanden Kneipen, die Bier, Wein und vor allem billigen Schnaps ausschenkten. Zuerst in der Landwirtschaft, dann aber zunehmend auch in den Fabriken, wurde ein Teil des Lohnes in Kartoffelschnaps gezahlt. Die Folgen für die Bevölkerung waren verheerend. Alkoholismus machte sich breit, der mit zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit im Elendsalkoholismus endete. Man bezeichnete die Entwicklung als eine Branntweinpest oder auch Kartoffelschnapspest (Schweiz), weil basierend auf billigem Kartoffelschnaps, der Alkoholismus sich wie eine Seuche übers Land ausbreitete.
Um 1800 herum lag der Pro-Kopf Konsum von Branntwein in Preußen beispielsweise noch bei zwei bis drei Litern pro Jahr (gemessen in reinem Alkohol). Ab den 1830ern stieg der Verbrauch auf über acht Liter, in Brandenburg sogar auf 13 Liter.[9] 1844 kam in Berlin ein Branntweinschank auf je 109 Einwohner.[10]
Mit dem Reichsbranntweinsteuergesetz von 1887 wurden erstmalig agrarpolitische, sozialpolitische und gesundheitspolizeiliche Ziele verfolgt[11] und der Kartoffelschnaps durch die Steuererhebung erheblich verteuert. Mit diesem Instrument und durch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs (1914–1918) wurde der Branntweinkonsum erheblich eingedämmt.
Mit dem Ausklingen der Brandweinpest und der Überproduktion an Schnaps fand der Alkohol aus den Kartoffelbrennereien als Beimischung zum Automobilkraftstoff, in Spiritus-Leuchtlampen[12] und als Industriealkohol zusätzlich Verwendung.
Kartoffelschnaps heute [Bearbeiten]Einst als billiger Schnaps für die Unterschicht angesehen, erlebt der Kartoffelschnaps unter seiner ursprünglichen Bezeichnung heute eine Renaissance. Neben guten Speisen aus deutscher Küche ist häufig auch der Kartoffelschnaps auf den Getränkekarten guter Restaurants zu finden. Es macht wohl den Reiz aus, ähnlich wie bei dem Hering oder der Bratkartoffel auch, etwas was früher den armen Leuten vorbehalten war, heute als deutsches „Kulturgut“ wieder zu entdecken und gepflegt genießen zu können.
Quellen [Bearbeiten]Gustav Ruhland, System der politischen Ökonomie, Band 1, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Verlag von Wilhelm Issleib, Berlin, 1903
Adelheid Müller-Lissner, Von Mäßigen, Abstinenten und gärungsloser Früchteverwertung, Das Parlament, Nr. 03 / 17. Januar 2005.
Heinrich Tappe, Alkoholverbrauch in Deutschland, Landeszentrale für Politische Bildung – Baden-Württemberg, Zeitschrift Nahrungskultur, Essen und Trinken im Wandel, Heft 4/2002.
Heinrich Tappe, Auf dem Weg zur modernen Alkoholkultur. Alkoholproduktion, Trinkverhalten und Temperenzbewegung in Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg., Steiner, Stuttgart 1994.
Einzelnachweise [Bearbeiten]↑ Gutsbrennereien im Altkreis Röbel gefunden 16. Februar 2008
↑ Historisches Franken – Erster feldmäßige Kartoffelanbau in Bayern gefunden 16. Februar 2008
↑ WDR – Kartoffeln – die tollen Knollen gefunden 16. Februar 2008
↑ Gustav Ruhland, System der politischen Ökonomie, Band 1, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Verlag von Wilhelm Issleib, Berlin, 1903, S. 127 – Der Kartoffelbau zur Branntweinbereitung
↑ Gutsbrennereien im Altkreis Röbel gefunden 16. Februar 2008
↑ Kartoffelboom in Brandenburg gefunden 16. Februar 2008
↑ Gustav Ruhland, System der politischen Ökonomie, Band 1, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Verlag von Wilhelm Issleib, Berlin, 1903, S. 127 – Der Kartoffelbau zur Branntweinbereitung
↑ Kartoffelgeschichte und -Geschichten gefunden 16. Februar 2008
↑ Heinrich Tappe, Zeitschrift Nahrungskultur, Essen und Trinken im Wandel, Heft 4/2002 – Alkoholverbrauch in Deutschland gefunden 16. Februar 2008
↑ Peter Lummel, Zeitschrift Nahrungskultur, Essen und Trinken im Wandel, Heft 4/2002 – Berlins nimmersatter Riesenbauch – Die Lebensmittelversorgung einer werdenden Weltstadt gefunden 16. Februar 2008
↑ Zoll – Geschichte der Branntweinsteuer und des Branntweinmonopols gefunden 16. Februar 2008
↑ Kartoffelgeschichte und -Geschichten gefunden 16. Februar 2008
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Kartoffelschnaps“
Kategorie: Spirituose
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Als Kartoffelschnaps wird eine durch Brennen hergestellte alkoholhaltige Flüssigkeit (Branntwein) bezeichnet, bei der als Ausgangsmaterial die Kartoffel verwendet wird. Da die Kartoffelstärke nicht direkt zu Alkohol vergoren werden kann, wird zunächst über das Maischen eine zuckerhaltige (Maltose) Flüssigkeit hergestellt.
Der Kartoffelschnaps wurde, weil preiswert von der Herstellung und vom Ausgangsmaterial her, lange als Arme-Leute-Schnaps angesehen, wird aber heute mehr und mehr als eine Art exklusives alkoholisches Getränk auf den Getränkekarten anspruchsvollerer Restaurants angeboten.
Die polnische und ukrainische Version des Kartoffelschnapses nennt man Wodka. In Russland, Skandinavien und in anderen Ländern werden, je nach Land und Brennerei unterschiedlich, Wodka und Aquavit aus Kartoffeln oder Getreide hergestellt.
Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Geschichte
2 Kartoffelschnaps heute
3 Quellen
4 Einzelnachweise
Geschichte [Bearbeiten]Die erste Kartoffelbrennerei in Deutschland wurde wohl um 1750 in Monsheim in der Pfalz in Betrieb genommen.[1] Nachdem ca. 100 Jahre zuvor, um 1647 herum die Kartoffel erstmals in Pilgramsreuth in Franken im Feldanbau zur Nahrungserzeugung angebaut wurde[2], entwickelte sich die Nutzung der Knollenpflanze als Nahrungsmittel und als Ausgangsstoff für industrielle Anwendungen recht schnell. 1716 wurde die Kartoffel in Sachsen in großem Stile angebaut und 1745 erließ der Preußenkönig Friedrich II (Friedrich der Große) das Gesetz zum Anbau der Kartoffel, dem entsprechend die Bauern zehn Prozent ihrer Ackerfläche mit Kartoffeln bepflanzen mussten.[3]
Branntwein wurde ursprünglich nur als Heilmittel in kleinen Mengen aus Wein hergestellt. Die Herstellung von Branntwein aus Kartoffeln wurde 1682 erstmals erwähnt.[4] Die Herstellung war aber wohl recht schwierig und vergleichsweise teuer. Den Durchbruch bekam die Kartoffelschnapsbrennerei erst mit der Erfindung eines speziellen Destillationsgerätes durch Johann Heinrich Leberecht Pistorius (1777–1858), mit dem Pistoriusschen Brennapparat, den Pistorius am 21. März 1817 zum Patent anmeldete. Mit dem Gerät konnte 60 – 80-prozentiger Alkohol aus Kartoffelmaische hergestellt werden. Der wachsende Kartoffelanbau und die nun preiswertere Herstellungsmethode, führte zu einem regelrechten Schnapsboom. Dazu kam, dass Gutsherren das Kartoffelschnapsbrennen als eine gute zusätzliche Einnahmequelle ansahen und die Schlempe (Rückstände der Destillation) sich als erstklassiger Dünger und als Viehfuttermittel verwenden ließ.[5]
1831 gab es in der Provinz Brandenburg mehr als 1400 Kartoffelbrennereien.[6] Um 1887/88 waren in Deutschland bereits 6.268 Kartoffelbrennereien im Betrieb, die zusammen knapp über 2 Millionen Tonnen Kartoffeln verarbeiteten.[7] Der Boom, der über die Jahre anhielt, führt um 1912/13 in Deutschland bei einer Jahresproduktion von drei Millionen Hektoliter Kartoffelschnaps zu einer Überproduktion.[8]
Ab den 1830er Jahren entstanden Kneipen, die Bier, Wein und vor allem billigen Schnaps ausschenkten. Zuerst in der Landwirtschaft, dann aber zunehmend auch in den Fabriken, wurde ein Teil des Lohnes in Kartoffelschnaps gezahlt. Die Folgen für die Bevölkerung waren verheerend. Alkoholismus machte sich breit, der mit zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit im Elendsalkoholismus endete. Man bezeichnete die Entwicklung als eine Branntweinpest oder auch Kartoffelschnapspest (Schweiz), weil basierend auf billigem Kartoffelschnaps, der Alkoholismus sich wie eine Seuche übers Land ausbreitete.
Um 1800 herum lag der Pro-Kopf Konsum von Branntwein in Preußen beispielsweise noch bei zwei bis drei Litern pro Jahr (gemessen in reinem Alkohol). Ab den 1830ern stieg der Verbrauch auf über acht Liter, in Brandenburg sogar auf 13 Liter.[9] 1844 kam in Berlin ein Branntweinschank auf je 109 Einwohner.[10]
Mit dem Reichsbranntweinsteuergesetz von 1887 wurden erstmalig agrarpolitische, sozialpolitische und gesundheitspolizeiliche Ziele verfolgt[11] und der Kartoffelschnaps durch die Steuererhebung erheblich verteuert. Mit diesem Instrument und durch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs (1914–1918) wurde der Branntweinkonsum erheblich eingedämmt.
Mit dem Ausklingen der Brandweinpest und der Überproduktion an Schnaps fand der Alkohol aus den Kartoffelbrennereien als Beimischung zum Automobilkraftstoff, in Spiritus-Leuchtlampen[12] und als Industriealkohol zusätzlich Verwendung.
Kartoffelschnaps heute [Bearbeiten]Einst als billiger Schnaps für die Unterschicht angesehen, erlebt der Kartoffelschnaps unter seiner ursprünglichen Bezeichnung heute eine Renaissance. Neben guten Speisen aus deutscher Küche ist häufig auch der Kartoffelschnaps auf den Getränkekarten guter Restaurants zu finden. Es macht wohl den Reiz aus, ähnlich wie bei dem Hering oder der Bratkartoffel auch, etwas was früher den armen Leuten vorbehalten war, heute als deutsches „Kulturgut“ wieder zu entdecken und gepflegt genießen zu können.
Quellen [Bearbeiten]Gustav Ruhland, System der politischen Ökonomie, Band 1, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Verlag von Wilhelm Issleib, Berlin, 1903
Adelheid Müller-Lissner, Von Mäßigen, Abstinenten und gärungsloser Früchteverwertung, Das Parlament, Nr. 03 / 17. Januar 2005.
Heinrich Tappe, Alkoholverbrauch in Deutschland, Landeszentrale für Politische Bildung – Baden-Württemberg, Zeitschrift Nahrungskultur, Essen und Trinken im Wandel, Heft 4/2002.
Heinrich Tappe, Auf dem Weg zur modernen Alkoholkultur. Alkoholproduktion, Trinkverhalten und Temperenzbewegung in Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg., Steiner, Stuttgart 1994.
Einzelnachweise [Bearbeiten]↑ Gutsbrennereien im Altkreis Röbel gefunden 16. Februar 2008
↑ Historisches Franken – Erster feldmäßige Kartoffelanbau in Bayern gefunden 16. Februar 2008
↑ WDR – Kartoffeln – die tollen Knollen gefunden 16. Februar 2008
↑ Gustav Ruhland, System der politischen Ökonomie, Band 1, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Verlag von Wilhelm Issleib, Berlin, 1903, S. 127 – Der Kartoffelbau zur Branntweinbereitung
↑ Gutsbrennereien im Altkreis Röbel gefunden 16. Februar 2008
↑ Kartoffelboom in Brandenburg gefunden 16. Februar 2008
↑ Gustav Ruhland, System der politischen Ökonomie, Band 1, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Verlag von Wilhelm Issleib, Berlin, 1903, S. 127 – Der Kartoffelbau zur Branntweinbereitung
↑ Kartoffelgeschichte und -Geschichten gefunden 16. Februar 2008
↑ Heinrich Tappe, Zeitschrift Nahrungskultur, Essen und Trinken im Wandel, Heft 4/2002 – Alkoholverbrauch in Deutschland gefunden 16. Februar 2008
↑ Peter Lummel, Zeitschrift Nahrungskultur, Essen und Trinken im Wandel, Heft 4/2002 – Berlins nimmersatter Riesenbauch – Die Lebensmittelversorgung einer werdenden Weltstadt gefunden 16. Februar 2008
↑ Zoll – Geschichte der Branntweinsteuer und des Branntweinmonopols gefunden 16. Februar 2008
↑ Kartoffelgeschichte und -Geschichten gefunden 16. Februar 2008
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Kartoffelschnaps“
Kategorie: Spirituose