Rechtsprechung 1
Ich habe letztens zwei zusammenhängende Gerichtsentscheide zum Thema Hobbybrennen gefunden, wo in der richterlichen Begründung des Urteils ein paar sehr aufschlussreiche Kommentare gegeben werden.
Hier das erste Urteil:
Nr: STRE200471216
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 26. Mai 2004, Az: IV 319/01
BranntwMonG § 36, BranntwMonG § 37, BranntwMonG § 109, BrennO § 116, BrennO § 119
Streitjahr: 1996
Zulassung einer Obstabfindungsbrennerei
Leitsatz
Zur Frage, ob eine Obstabfindungsbrennerei, die als Hobby betrieben werden soll, trotz Ausschöpfung der sog. Grenzzahl zugelassen werden kann.
Orientierungssatz
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BFH: VII B 140/04).
Fundstellen
ZfZ 2005, 30-31 (red. Leitsatz und Gründe)
Weitere Fundstellen
StE 2004, 649 (red. Leitsatz)
Verfahrensgang
nachgehend BFH 24. Februar 2005 VII B 140/04 Beschluß
Diese Entscheidung zitiert
BFH 24. Juli 2000 VII B 16/00 Vergleiche
BFH 1. Oktober 1999 VII B 153/99 Vergleiche
BFH 28. November 1995 VII R 6/94 Vergleiche
Tatbestand
1
2
Die Kläger begehren die Zulassung zum Betrieb einer Obstabfindungsbrennerei.
3
Am 1. Oktober 1919 betrug die so genannte Grenzzahl der in dem Oberfinanzbezirk Hannover zugelassenen Abfindungsbrennereien sieben, im Jahre 1950 vier; zwei Abfindungsbrennereien wurden in den Jahren 1923 und 1999 in Verschlussbrennereien umgewandelt, eine weitere Brennerei verlor die Vergünstigung, unter Abfindung zu brennen, infolge eines Monopolvergehens im Jahre 1950.
4
Mit Schreiben vom 20.2.1996 beantragten die Kläger die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung einer Obstabfindungsbrennerei im Sinne des § 57 des Gesetzes über das Branntweinmonopol - BranntwMonG -, was das Hauptzollamt ... (H) mit Bescheid vom 3.4.1996 unter Hinweis darauf ablehnte, dass die für den Oberfinanzbezirk Hannover festgeschriebene Grenzzahl von vier Obstabfindungsbrennerei bereits erreicht sei.
5
In ihrem gegen den Bescheid vom 3.4.1996 erhobenen Einspruch wandten die Kläger ein, dass sie beabsichtigten, eine Obstbrennerei als Hobby zu betreiben und dabei ausschließlich selbst gewonnenes Obst zu verwerten. Sie hätten weder die Absicht noch die Möglichkeit, wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. Der Zweck des Branntweinmonopols werde durch das Hobbybrennen nicht gefährdet.
6
Das Hauptzollamt H wies den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 7.9.2001 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Bestimmungen des Branntweinmonopolgesetzes nicht zur Disposition stünden. Auch das Betreiben einer Hobbybrennerei sei nur nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zulässig. Insoweit habe der Gesetzgeber vorgesehen, eine Brennerei als Hobby entweder in der Form der Abfindungsbrennerei oder als so genannte Kleinverschlussbrennerei zu betreiben. Da die Grenzzahl der zugelassenen Abfindungsbrennereien bereits ausgeschöpft sei, könnten die Kläger das Abfindungsbrennen auch als Hobby nicht betreiben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die den Klägern am 13. bzw. 14.09.2001 zugestellt worden ist, Bezug genommen.
7
Mit ihrer am 8.10.2001 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren fort. Sie betonen erneut, dass sie beabsichtigten, eine Obstabfindungsbrennerei als Hobby zu betreiben. Sie wollten mit einem nicht verschlusssicher einzurichtenden Brenngerät aus eigenem, selbst gewonnenen Obst Alkohol gewinnen. Das daraus zubereitete Getränk wollten sie selbst genießen, Gästen anbieten und an Verwandte und Freunde verschenken. Sofern sich aus den zwei oder höchstens drei Brennvorgängen im Jahr ein Überschuss ergebe, würden Sie diesen auf einem der Weihnachtsbasare, die in ... (A) von Kirchengemeinden und ähnlichen Einrichtungen zu wohltätigen Zwecken stattfänden, verkaufen. Sie hätten weder die Absicht noch die Möglichkeit, aus der Gewinnung von Alkohol oder dem Verkauf der zubereiteten Getränke wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. Sie wollten vielmehr die mit Geduld und Sorgfalt vorzunehmende Alkoholgewinnung aus eigenem Obst als eine Freizeitbeschäftigung betreiben, um sich dann an dem selbst gewonnenen Produkt zu erfreuen und den Genuss mit anderen zu teilen. Sie - die Kläger - seien darauf angewiesen, ein Brenngerät unter den Bedingungen einer Obstabfindungsbrennerei betreiben zu dürfen, weil die Einrichtung einer Verschlussbrennerei den mit einer Hobbybrennerei zu vereinbarenden Aufwand sprengen würde. Die vom beklagten Hauptzollamt vorgenommene Anwendung des einfachen Rechts verstoße gegen ihre Freiheits- und Gleichheitsrechte. Das Betreiben einer Kleinbrennerei als Hobby mit selbst gewonnenen Obst sei dem Schutzbereich des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) zuzurechnen. Dieses Grundrecht schütze nicht nur den Kernbereich der Persönlichkeit bzw. die für die Persönlichkeitsentfaltung gewichtigen Betätigungen, es gewährleiste vielmehr eine allgemeine menschliche Handlungsfreiheit; jeder solle tun und lassen dürfen, was er wolle. Wenn das Reiten im Walde Grundrechtsschutz genießen, müsse das auch für das Hobbybrennen gelten. Die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG stehe unter der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung. Zwar komme grundsätzlich auch § 57 BranntwMonG als Schranke dieses Grundrechts in Betracht. Die Abhängigkeit der Zulassung eines Hobbybrenners zur Abfindung vom Einhalten einer Grenzzahl scheitere jedoch am Übermaßverbot. Die Beibehaltung des Branntweinmonopols diene zum einen der Erzielung von Einnahmen, zum anderen verfolge es einen agrarpolitischen Zweck, es sollten nämlich strukturell benachteiligte landwirtschaftliche Güter und ertragsschwache, leichte, sandig-lehmige Böden, die dem Kartoffelanbau dienten, gefördert werden. Eine Beschränkung des Hobbybrennens sei zum Erreichen dieser Zwecke nicht geeignet. Das Erzielen von Einnahmen aus der Branntweinsteuer werde nicht gefördert, sondern erschwert, wenn Hobbybrennen unter Berufung auf ausgeschöpfte Grenzzahlen von der Abfindung ausgeschlossen werde. Der Ausschluss von der Abfindung wirke nämlich gegenüber dem Hobbybrenner praktisch wie ein Verbot des Brennens überhaupt, so dass vom Hobbybrenner Branntweinsteuer nicht zu erlangen sei. Das durch die Beschränkung der Zulassung zur Abfindung praktisch bewirkte Verbot des Hobbybrennens fördere den agrarpolitischen Zweck des Branntweinmonopols ebenfalls nicht. Der agrarpolitischen Zweck, den Absatz landwirtschaftlicher Produkte zu fördern, werde durch den Hobbybrenner nicht berührt. Das Hobbybrennen verhalte sich gegenüber dem marktordnenden Zweck des Branntweinmonopols vielmehr neutral, weil der Hobbybrenner am Markt nicht teilnehme. Es sei deshalb nicht zu rechtfertigen, dem Hobbybrenner im Interesse agrarpolitischer Zwecke Beschränkungen aufzuerlegen. Der Hobbybrenner belaste den Markt nicht mit der von ihm gewonnenen Menge Alkohol und erschwere nicht den Absatz einer gleichen Menge aus landwirtschaftlichen Produkten gewonnenen Alkohols. Der Hobbybrenner würde nämlich die von ihm gewonnene Menge nicht von gewerblichen Erzeugern kaufen, wenn er sein Hobby nicht betreiben würde. Denn im Vordergrund stehe nicht die kostengünstige Erzeugung von Alkohol, vielmehr gehe es allein um die Freunde an dem aus eigenem Obst selbst gewonnenen Produkt, das selbst und mit Gästen genossen oder als Geschenk verwendet werden könne. Während gegenüber dem gewerbsmäßigen, nach wirtschaftlichen Gewinn strebenden Brenner eine Beschränkung der Zulassung zur Abfindung durch Grenzzahlen zu rechtfertigen sei, um die Möglichkeit steuerfreier Überausbeute zu verwehren und die Marktposition landwirtschaftlicher Verschlussbrennereien nicht zu verdrängen, verstoße die durch den Verweis auf ausgeschöpfte Grenzzahlen bewirkte Beschränkung des Hobbybrennens gegen Art. 2 Abs. 1 GG und sei deshalb verfassungswidrig. Ein Verstoß des § 57 BranntwMonG gegen Art. 2 Abs. 1 GG sei freilich zu vermeiden, wenn die Maßgeblichkeit der Grenzzahl dem Zweck des Branntweinmonopols gemäß auf gewerbliche, nach wirtschaftlichen Gewinn strebende Brenner beschränkt werde. § 57 BranntwMonG sei deshalb in diesem Sinne teleologisch zu reduzieren mit der Folge, dass die ausgeschöpfte Grenzzahl im Streitfall der begehrten Zulassung zur Abfindungsbrennerei nicht entgegenstehe. Dessen ungeachtet bedeute es auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Zulassung zur Abfindung unter Berufung auf die ausgeschöpfte Grenzzahl im Bezirk der Oberfinanzdirektion Hannover zu versagen. In süddeutschen Oberfinanzbezirken sei nämlich im Hinblick auf weitaus höhere Grenzzahlen der Zugang zur Abfindung wesentlich leichter zu erreichen. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Klageschrift vom 6.10.2001 Bezug genommen.
8
Die Kläger beantragen, das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 3.4.1996 und der Einspruchsentscheidung vom 7.9.2001 zu verpflichten, ihnen eine Genehmigung zur Errichtung einer Abfindungsbrennerei im Sinne von § 57 des Gesetzes über das Branntweinmonopol zu erteilen.
9
Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
10
Es bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12
Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Erteilung der Genehmigung einer Abfindungsbrennerei (§ 101 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der Senat im Einzelnen Folgendes an:
13
Gemäß § 57 BranntwMonG können Brennereien nach Bestimmung des Reichsministers der Finanzen zur Abfindung zugelassen werden. Insoweit ist in § 116 Abs. 1 Satz 1 Brennereiordnung - BO - bestimmt, dass Obstbrennereien, die betriebsfähig, aber nicht verschlusssicher eingerichtet sind, auf Antrag innerhalb der Grenzzahl (§ 119 BO) mit einer Erzeugungsgrenze von 50 Liter Weingeist im Betriebsjahr zur Abfindung zugelassen werden können; über den Antrag entscheidet das Hauptzollamt (§ 116 Abs. 1 Satz 2 BO). Gemäß § 119 Abs. 1 BO führt die Zentralstelle Abfindungsbrennen für jeden Oberfinanzbezirk in den bis zum 31.7.1998 geltenden Bezirksgrenzen eine Nachweisung über die Grenzzahl und über die Zahl der Obstbrennereien ihres Verwaltungsbezirks, die zur Abfindung zugelassen sind. Vor der Zulassung einer Obstbrennerei zur Abfindung fordert das Hauptzollamt bei der Zentralstelle Abfindungsbrennen eine Bescheinigung an, dass durch die Zulassung dieser Brennerei die Grenzzahl nicht überschritten wird (§ 119 Abs. 2 Satz 1 BO).
14
Hinsichtlich des Streitfalles gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Grenzzahl für den Oberfinanzbezirk Hannover "4" beträgt. Zwischen den Beteiligten steht ferner außer Streit, dass diese Grenzzahl ausgeschöpft ist, weil bereits 4 Brennereien zur Abfindung zugelassen sind. Die Kläger meinen allerdings, dass sie aus den Gewährleistungen der Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Grundgesetz einen Teilhabeanspruch auf Zulassung zur Abfindungsbrennerei hätten. Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.
15
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes geklärt, dass es sich bei der Einrichtung des Abfindungsbrennens um eine bloße Besitzstandsregelung handelt (BFH, Beschluss vom 24.7.2000 - VII B 16/00 -, juris; Beschluss vom 1.10.1999 - VII B 153/99 -, juris; Urteil vom 28.11.1995 - VII R 6/94 -, juris). Das Abfindungsbrennen, das sich als Konglomerat von steuertechnischen, steuerverfahrensrechtlichen und monopol- und steuerrechtlichen Vergünstigungen charakterisieren lässt, besteht seit 1887 als Ausnahmeform neben dem Verschlussbrennen zur Wahrung des Besitzstandes der in den damaligen süddeutschen Sonderrechtsstaaten Bayern, Württemberg und Baden ansässigen Kleinbrenner. Angesichts dieses Ausnahme- und Besitzstandscharakters der Abfindungsbrennerei gegenüber der Regelform der Verschlussbrennerei verstoßen die Vorschriften der §§ 116 bis 119 Brennereiordnung in Verbindung mit § 57 Branntweinmonopolgesetz weder gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kläger, die als Hobby die Obstbrennerei betreiben wollen, sind deshalb darauf zu verweisen, sich gegebenenfalls eine Verschlussbrennerei einzurichten. Ob und unter welchen Bedingungen den Klägern die Einrichtung einer Verschlussbrennerei zu ermöglichen ist, hat der Senat im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu entscheiden. Denn die Kläger haben nicht die Zulassung zum Betrieb einer Verschlussbrennerei beantragt. Vor diesem Hintergrund braucht der Senat auch nicht der Frage nachzugehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Errichtung einer Verschlussbrennerei, die als Hobby betrieben werden soll, der Erteilung von Ausnahmen gemäß § 109 lit. b) BranntwMonG zugänglich ist. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass den Klägern auch die Möglichkeit offen steht, als sog. Stoffbesitzer in der Brennerei eines anderen selbstgewonnene Stoffe der in § 27 BranntwMonG bezeichneten Art zu brennen (vgl. § 36 BranntwMonG i.V.m. § 9 BO). Dass die Verarbeitung selbstgewonnener Stoffe durch Stoffbesitzer nur in den in § 9 Abs. 6 BO aufgeführten Bezirken zulässig ist, müssten die Kläger ebenso hinnehmen wie die weitere gesetzliche Vorgabe, dass auch die abzubrennenden Obststoffe in diesen Bezirken gewonnen worden sein müssen. Schließlich bleibt es den Klägern auch unbenommen, ihr Hobby im Rahmen und unter den Bedingungen einer Obstgemeinschaftsbrennerei (§ 37 BranntwMonG) zu verwirklichen. War die Gründung von Obstgemeinschaftsbrennereien ursprünglich nur für die Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzer im südwestdeutschen Raum vorgesehen, ist zwischenzeitlich auch den Obsterzeugern im norddeutschen Raum die Gründung von Obstgemeinschaftsbrennereien, die als Verschlussbrennereien betrieben werden, möglich.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.
Hier das erste Urteil:
Nr: STRE200471216
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 26. Mai 2004, Az: IV 319/01
BranntwMonG § 36, BranntwMonG § 37, BranntwMonG § 109, BrennO § 116, BrennO § 119
Streitjahr: 1996
Zulassung einer Obstabfindungsbrennerei
Leitsatz
Zur Frage, ob eine Obstabfindungsbrennerei, die als Hobby betrieben werden soll, trotz Ausschöpfung der sog. Grenzzahl zugelassen werden kann.
Orientierungssatz
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BFH: VII B 140/04).
Fundstellen
ZfZ 2005, 30-31 (red. Leitsatz und Gründe)
Weitere Fundstellen
StE 2004, 649 (red. Leitsatz)
Verfahrensgang
nachgehend BFH 24. Februar 2005 VII B 140/04 Beschluß
Diese Entscheidung zitiert
BFH 24. Juli 2000 VII B 16/00 Vergleiche
BFH 1. Oktober 1999 VII B 153/99 Vergleiche
BFH 28. November 1995 VII R 6/94 Vergleiche
Tatbestand
1
2
Die Kläger begehren die Zulassung zum Betrieb einer Obstabfindungsbrennerei.
3
Am 1. Oktober 1919 betrug die so genannte Grenzzahl der in dem Oberfinanzbezirk Hannover zugelassenen Abfindungsbrennereien sieben, im Jahre 1950 vier; zwei Abfindungsbrennereien wurden in den Jahren 1923 und 1999 in Verschlussbrennereien umgewandelt, eine weitere Brennerei verlor die Vergünstigung, unter Abfindung zu brennen, infolge eines Monopolvergehens im Jahre 1950.
4
Mit Schreiben vom 20.2.1996 beantragten die Kläger die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung einer Obstabfindungsbrennerei im Sinne des § 57 des Gesetzes über das Branntweinmonopol - BranntwMonG -, was das Hauptzollamt ... (H) mit Bescheid vom 3.4.1996 unter Hinweis darauf ablehnte, dass die für den Oberfinanzbezirk Hannover festgeschriebene Grenzzahl von vier Obstabfindungsbrennerei bereits erreicht sei.
5
In ihrem gegen den Bescheid vom 3.4.1996 erhobenen Einspruch wandten die Kläger ein, dass sie beabsichtigten, eine Obstbrennerei als Hobby zu betreiben und dabei ausschließlich selbst gewonnenes Obst zu verwerten. Sie hätten weder die Absicht noch die Möglichkeit, wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. Der Zweck des Branntweinmonopols werde durch das Hobbybrennen nicht gefährdet.
6
Das Hauptzollamt H wies den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 7.9.2001 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Bestimmungen des Branntweinmonopolgesetzes nicht zur Disposition stünden. Auch das Betreiben einer Hobbybrennerei sei nur nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zulässig. Insoweit habe der Gesetzgeber vorgesehen, eine Brennerei als Hobby entweder in der Form der Abfindungsbrennerei oder als so genannte Kleinverschlussbrennerei zu betreiben. Da die Grenzzahl der zugelassenen Abfindungsbrennereien bereits ausgeschöpft sei, könnten die Kläger das Abfindungsbrennen auch als Hobby nicht betreiben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung, die den Klägern am 13. bzw. 14.09.2001 zugestellt worden ist, Bezug genommen.
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Mit ihrer am 8.10.2001 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren fort. Sie betonen erneut, dass sie beabsichtigten, eine Obstabfindungsbrennerei als Hobby zu betreiben. Sie wollten mit einem nicht verschlusssicher einzurichtenden Brenngerät aus eigenem, selbst gewonnenen Obst Alkohol gewinnen. Das daraus zubereitete Getränk wollten sie selbst genießen, Gästen anbieten und an Verwandte und Freunde verschenken. Sofern sich aus den zwei oder höchstens drei Brennvorgängen im Jahr ein Überschuss ergebe, würden Sie diesen auf einem der Weihnachtsbasare, die in ... (A) von Kirchengemeinden und ähnlichen Einrichtungen zu wohltätigen Zwecken stattfänden, verkaufen. Sie hätten weder die Absicht noch die Möglichkeit, aus der Gewinnung von Alkohol oder dem Verkauf der zubereiteten Getränke wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. Sie wollten vielmehr die mit Geduld und Sorgfalt vorzunehmende Alkoholgewinnung aus eigenem Obst als eine Freizeitbeschäftigung betreiben, um sich dann an dem selbst gewonnenen Produkt zu erfreuen und den Genuss mit anderen zu teilen. Sie - die Kläger - seien darauf angewiesen, ein Brenngerät unter den Bedingungen einer Obstabfindungsbrennerei betreiben zu dürfen, weil die Einrichtung einer Verschlussbrennerei den mit einer Hobbybrennerei zu vereinbarenden Aufwand sprengen würde. Die vom beklagten Hauptzollamt vorgenommene Anwendung des einfachen Rechts verstoße gegen ihre Freiheits- und Gleichheitsrechte. Das Betreiben einer Kleinbrennerei als Hobby mit selbst gewonnenen Obst sei dem Schutzbereich des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) zuzurechnen. Dieses Grundrecht schütze nicht nur den Kernbereich der Persönlichkeit bzw. die für die Persönlichkeitsentfaltung gewichtigen Betätigungen, es gewährleiste vielmehr eine allgemeine menschliche Handlungsfreiheit; jeder solle tun und lassen dürfen, was er wolle. Wenn das Reiten im Walde Grundrechtsschutz genießen, müsse das auch für das Hobbybrennen gelten. Die Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 GG stehe unter der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung. Zwar komme grundsätzlich auch § 57 BranntwMonG als Schranke dieses Grundrechts in Betracht. Die Abhängigkeit der Zulassung eines Hobbybrenners zur Abfindung vom Einhalten einer Grenzzahl scheitere jedoch am Übermaßverbot. Die Beibehaltung des Branntweinmonopols diene zum einen der Erzielung von Einnahmen, zum anderen verfolge es einen agrarpolitischen Zweck, es sollten nämlich strukturell benachteiligte landwirtschaftliche Güter und ertragsschwache, leichte, sandig-lehmige Böden, die dem Kartoffelanbau dienten, gefördert werden. Eine Beschränkung des Hobbybrennens sei zum Erreichen dieser Zwecke nicht geeignet. Das Erzielen von Einnahmen aus der Branntweinsteuer werde nicht gefördert, sondern erschwert, wenn Hobbybrennen unter Berufung auf ausgeschöpfte Grenzzahlen von der Abfindung ausgeschlossen werde. Der Ausschluss von der Abfindung wirke nämlich gegenüber dem Hobbybrenner praktisch wie ein Verbot des Brennens überhaupt, so dass vom Hobbybrenner Branntweinsteuer nicht zu erlangen sei. Das durch die Beschränkung der Zulassung zur Abfindung praktisch bewirkte Verbot des Hobbybrennens fördere den agrarpolitischen Zweck des Branntweinmonopols ebenfalls nicht. Der agrarpolitischen Zweck, den Absatz landwirtschaftlicher Produkte zu fördern, werde durch den Hobbybrenner nicht berührt. Das Hobbybrennen verhalte sich gegenüber dem marktordnenden Zweck des Branntweinmonopols vielmehr neutral, weil der Hobbybrenner am Markt nicht teilnehme. Es sei deshalb nicht zu rechtfertigen, dem Hobbybrenner im Interesse agrarpolitischer Zwecke Beschränkungen aufzuerlegen. Der Hobbybrenner belaste den Markt nicht mit der von ihm gewonnenen Menge Alkohol und erschwere nicht den Absatz einer gleichen Menge aus landwirtschaftlichen Produkten gewonnenen Alkohols. Der Hobbybrenner würde nämlich die von ihm gewonnene Menge nicht von gewerblichen Erzeugern kaufen, wenn er sein Hobby nicht betreiben würde. Denn im Vordergrund stehe nicht die kostengünstige Erzeugung von Alkohol, vielmehr gehe es allein um die Freunde an dem aus eigenem Obst selbst gewonnenen Produkt, das selbst und mit Gästen genossen oder als Geschenk verwendet werden könne. Während gegenüber dem gewerbsmäßigen, nach wirtschaftlichen Gewinn strebenden Brenner eine Beschränkung der Zulassung zur Abfindung durch Grenzzahlen zu rechtfertigen sei, um die Möglichkeit steuerfreier Überausbeute zu verwehren und die Marktposition landwirtschaftlicher Verschlussbrennereien nicht zu verdrängen, verstoße die durch den Verweis auf ausgeschöpfte Grenzzahlen bewirkte Beschränkung des Hobbybrennens gegen Art. 2 Abs. 1 GG und sei deshalb verfassungswidrig. Ein Verstoß des § 57 BranntwMonG gegen Art. 2 Abs. 1 GG sei freilich zu vermeiden, wenn die Maßgeblichkeit der Grenzzahl dem Zweck des Branntweinmonopols gemäß auf gewerbliche, nach wirtschaftlichen Gewinn strebende Brenner beschränkt werde. § 57 BranntwMonG sei deshalb in diesem Sinne teleologisch zu reduzieren mit der Folge, dass die ausgeschöpfte Grenzzahl im Streitfall der begehrten Zulassung zur Abfindungsbrennerei nicht entgegenstehe. Dessen ungeachtet bedeute es auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Zulassung zur Abfindung unter Berufung auf die ausgeschöpfte Grenzzahl im Bezirk der Oberfinanzdirektion Hannover zu versagen. In süddeutschen Oberfinanzbezirken sei nämlich im Hinblick auf weitaus höhere Grenzzahlen der Zugang zur Abfindung wesentlich leichter zu erreichen. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Klageschrift vom 6.10.2001 Bezug genommen.
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Die Kläger beantragen, das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 3.4.1996 und der Einspruchsentscheidung vom 7.9.2001 zu verpflichten, ihnen eine Genehmigung zur Errichtung einer Abfindungsbrennerei im Sinne von § 57 des Gesetzes über das Branntweinmonopol zu erteilen.
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Das beklagte Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
10
Es bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
12
Die zulässige Verpflichtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Erteilung der Genehmigung einer Abfindungsbrennerei (§ 101 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der Senat im Einzelnen Folgendes an:
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Gemäß § 57 BranntwMonG können Brennereien nach Bestimmung des Reichsministers der Finanzen zur Abfindung zugelassen werden. Insoweit ist in § 116 Abs. 1 Satz 1 Brennereiordnung - BO - bestimmt, dass Obstbrennereien, die betriebsfähig, aber nicht verschlusssicher eingerichtet sind, auf Antrag innerhalb der Grenzzahl (§ 119 BO) mit einer Erzeugungsgrenze von 50 Liter Weingeist im Betriebsjahr zur Abfindung zugelassen werden können; über den Antrag entscheidet das Hauptzollamt (§ 116 Abs. 1 Satz 2 BO). Gemäß § 119 Abs. 1 BO führt die Zentralstelle Abfindungsbrennen für jeden Oberfinanzbezirk in den bis zum 31.7.1998 geltenden Bezirksgrenzen eine Nachweisung über die Grenzzahl und über die Zahl der Obstbrennereien ihres Verwaltungsbezirks, die zur Abfindung zugelassen sind. Vor der Zulassung einer Obstbrennerei zur Abfindung fordert das Hauptzollamt bei der Zentralstelle Abfindungsbrennen eine Bescheinigung an, dass durch die Zulassung dieser Brennerei die Grenzzahl nicht überschritten wird (§ 119 Abs. 2 Satz 1 BO).
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Hinsichtlich des Streitfalles gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Grenzzahl für den Oberfinanzbezirk Hannover "4" beträgt. Zwischen den Beteiligten steht ferner außer Streit, dass diese Grenzzahl ausgeschöpft ist, weil bereits 4 Brennereien zur Abfindung zugelassen sind. Die Kläger meinen allerdings, dass sie aus den Gewährleistungen der Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Grundgesetz einen Teilhabeanspruch auf Zulassung zur Abfindungsbrennerei hätten. Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.
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Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes geklärt, dass es sich bei der Einrichtung des Abfindungsbrennens um eine bloße Besitzstandsregelung handelt (BFH, Beschluss vom 24.7.2000 - VII B 16/00 -, juris; Beschluss vom 1.10.1999 - VII B 153/99 -, juris; Urteil vom 28.11.1995 - VII R 6/94 -, juris). Das Abfindungsbrennen, das sich als Konglomerat von steuertechnischen, steuerverfahrensrechtlichen und monopol- und steuerrechtlichen Vergünstigungen charakterisieren lässt, besteht seit 1887 als Ausnahmeform neben dem Verschlussbrennen zur Wahrung des Besitzstandes der in den damaligen süddeutschen Sonderrechtsstaaten Bayern, Württemberg und Baden ansässigen Kleinbrenner. Angesichts dieses Ausnahme- und Besitzstandscharakters der Abfindungsbrennerei gegenüber der Regelform der Verschlussbrennerei verstoßen die Vorschriften der §§ 116 bis 119 Brennereiordnung in Verbindung mit § 57 Branntweinmonopolgesetz weder gegen die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Kläger, die als Hobby die Obstbrennerei betreiben wollen, sind deshalb darauf zu verweisen, sich gegebenenfalls eine Verschlussbrennerei einzurichten. Ob und unter welchen Bedingungen den Klägern die Einrichtung einer Verschlussbrennerei zu ermöglichen ist, hat der Senat im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu entscheiden. Denn die Kläger haben nicht die Zulassung zum Betrieb einer Verschlussbrennerei beantragt. Vor diesem Hintergrund braucht der Senat auch nicht der Frage nachzugehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Errichtung einer Verschlussbrennerei, die als Hobby betrieben werden soll, der Erteilung von Ausnahmen gemäß § 109 lit. b) BranntwMonG zugänglich ist. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass den Klägern auch die Möglichkeit offen steht, als sog. Stoffbesitzer in der Brennerei eines anderen selbstgewonnene Stoffe der in § 27 BranntwMonG bezeichneten Art zu brennen (vgl. § 36 BranntwMonG i.V.m. § 9 BO). Dass die Verarbeitung selbstgewonnener Stoffe durch Stoffbesitzer nur in den in § 9 Abs. 6 BO aufgeführten Bezirken zulässig ist, müssten die Kläger ebenso hinnehmen wie die weitere gesetzliche Vorgabe, dass auch die abzubrennenden Obststoffe in diesen Bezirken gewonnen worden sein müssen. Schließlich bleibt es den Klägern auch unbenommen, ihr Hobby im Rahmen und unter den Bedingungen einer Obstgemeinschaftsbrennerei (§ 37 BranntwMonG) zu verwirklichen. War die Gründung von Obstgemeinschaftsbrennereien ursprünglich nur für die Abfindungsbrennereien und Stoffbesitzer im südwestdeutschen Raum vorgesehen, ist zwischenzeitlich auch den Obsterzeugern im norddeutschen Raum die Gründung von Obstgemeinschaftsbrennereien, die als Verschlussbrennereien betrieben werden, möglich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.