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Dry Gin
Von: Feingeist am 09.12.2016 22:19:09 | Region: Diaspora
Vor Kurzem wurde nach einem Gin-Rezept gefragt. Obwohl bereits ein Rezept gepostet wurde, hier mein Rezept, das sich vielfach bewährt hat:
Dry Gin
Variante zum Brennen mit Aromakorb und Potstill
Zutaten:
jeweils pro Liter 60 Vol% Neutralalkohol
zum Mazerieren
12 g Wacholderbeeren
6 g Koriandersaat
In den Aromakorb:
0,6 g Zitronenschale, frisch
0,3 g Zimtstange, grob zerkleinert
0,6 g Angelikawurzel, getrocknet und geschnitten
0,5 g Pomeranzenschale, getrocknet und geschnitten
0,5 g Ingwer, frisch
1 g Süßholz, getrocknet und geschnitten
0,5 g Iriswurzel ("Veilchenwurzel"), getrocknet und geschnitten
0,5 g Kalmuswurzel, getrocknet und geschnitten
0,5 g Kardamom, getrocknet, ganze Samenkapseln, grob zerkleinert
Ablauf:
Wacholderbeeren leicht andrücken, nicht mörsern, damit die Kernchen intakt bleiben.
Wacholderbeeren und Koriandersaat im 60 Vol% Neutralalkohol 12-24 h mazerieren.
Das Mazerat vor dem Brennen mit Wasser auf ca. 15 Vol% herabsetzen (ergibt ca. 4 l), Wacholder und Koriander können beim Brennen in der Flüssigkeit bleiben
Die restlichen Gewürze vor dem Brennen in den Aromakorb geben. Anstatt Aromakorb geht notfalls auch ein Hopfensäckchen oder Maxi-Tee-Ei aus Drahtgeflecht, die im Dampfraum hängen.
Maische rasch aufheizen.
Nach Erreichen von ca 76°C Geistrohrtemperatur Heizleistung stark reduzieren
Obwohl Neutralalkohol kaum noch Acetaldehyd, Ethylacetat usw. enthalten sollte, etwas Vorlauf abtrennen, denn er enthält muffige Aromen und viel Öl aus dem Wacholder, das beim Verdünnen auf Trinkstärke den Gin trüben würde und etwas penetrant schmeckt.
Mittellauf von ca 80-90 °C Geistrohrtemperatur bei geringer Heizleistung.
Abtrennung zum Nachlauf nach Aroma; erdige Noten sind noch erwünscht, erst endgültig aufhören, wenn Kochgeschmack erscheint.
Während des Mittellaufs kommen bei steigender Dampf- und Kesseltemperatur zuerst fruchtige, zitronige ("helle") Noten (Zitrone/Ingwer/Orange/Koriander), in der Mitte der Wacholder, später die würzigen ("warmen") Aromen (Kalmus/Angelika/Iris). Nachlauf nicht zu früh abtrennen, sonst fehlt dem Gin der Körper, ohne den die anderen, zarteren Aromen nicht zur Geltung kommen. Am besten ab ca. 88 °C Geistrohrtemperatur Fraktionen sammeln und dem Mittellauf später zur Abrundung wieder zugeben.
Unbedingt einige Tage warten, bevor man ans Abrunden des Mittellaufs mit den gesammelten Fraktionen geht, direkt nach dem Brennen schmeckt man einige Aromen praktisch überhaupt noch nicht. Beim Abschmecken das Probeschlückchen unbedingt mit frischem Wasser verdünnen. Da die "späten" Fraktionen stark dominant sind und dann alles muffig-modrig schmecken kann, ganz langsam herantasten; die Qualität des Endproduktes steht und fällt mit den Aromen kurz vor Mittellaufende.
Herabsetzen auf Trinkstärke von ca. 42-44 Vol% mit möglichst weichem Wasser.
4-6 Wochen ruhen lassen, dann abfüllen.
Zusammenfassung:
Die Gewürzzusammenstellung zielt auf einen leichten, blumigen und kräftig-zitronigen Gin, prima zum Mixen (Martini!) oder nur mit Wasser verdünnt, hat aber genug Substanz, dass er beim Verdünnen mit Tonicwasser nicht untergeht.
Varianten:
Zarter:
Wacholder und Koriander vor dem Destillieren herausnehmen, dafür Menge etwas erhöhen und 24h mazerieren; dies reduziert den Anfall an Wacholderöl und den Kochgeschmack im Nachlauf.
Würziger: Zugabe von Pfeffer (rot, grün oder Cubeben) und/oder Paradieskörnern, dann Ingwer weglassen.
Mehr Körper kann man bekommen durch mehr von Angelikawurzel und Süßholz, oder zusätzlich z.B. Muskatblüte oder Bittermandel. Vorsicht, diese Gewürze schlagen manchmal unkontrollierbar durch. Bei zu viel Muskatblüte z.B. riecht der Gin nach Fleischwurst...
Einen blumigen Touch kann man geben z.B. durch mehr von Iriswurzel oder Kardamom, oder zusätzlich Lavendelblüten (nur Gewürzlavendel verwenden, keinesfalls Lavandin), Rosenblätter/Rosenwasser etc.
Bei Wacholderbeeren, Koriander und Angelikawurzel gibt es unglaubliche Qualitätsunterschiede, nur 1a und frische Qualität nehmen! Gewürze, die schon ein paar Jahre im Gewürzschrank schlummern, lohnen die Mühe nicht. Wacholderbeeren müssen groß, noch weich/zerdrückbar sein und leicht süßlich schmecken. Gute Angelikawurzel muss aromatisch und ein wenig nach "Klosterlikör" (Benedictine/Chartreuse...) riechen, keinesfalls erdig oder muffig, es gibt Qualitäten, meist feingehäckselt (aus China), die erinnern nicht mal an den richtigen Geruch, auch Angelikasamen geht nicht! Beim Koriander finde ich die leicht längsovalen, großen Samenkörner am besten, die ganz runden, kleineren sind weniger aromatisch.
Die angegebenen Geistrohrtemperaturen sind nur eine grobe Orientierung, je nach Heizleistung und Destille ergeben sich Abweichungen. Gut geht ein ca. 60 cm hohes Steigrohr ohne Packung, durch den dadurch entstehenden Mini-Reflux fällt die Nachlaufabtrennung leichter.
Eine Orientierung für Mengenverhältnisse (aus homedistiller.org):
x = Wacholder
x / 2 = Koriander
x / 10 = Angelikawurzel, Zimt, Süßholz, Bittermandeln, Paradieskörner, Pfeffer
x / 100 = Orangenschalen, Zitronenschalen, Ingwer, Iriswurzel, Kardamom, Muskat, Kalmus